Alles für‘n Arsch – Zu Gast bei Gerd Jungbluth
Jahrelang habe ich mich nun mit der abgepolsterten Sitzbank meiner Africa Twin herumgequält. Der recht kleine Vorbesitzer hatte den Eingriff vornehmen lassen, um mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Für mich, mit meiner 1,85 m Körpergröße, allerdings hatte die Sitzbank ein gewisses „Sessel-Feeling“: zu gemütlich, zu weich und man kommt schlecht raus.
Also habe ich mich umgehört, wer im Kölner Umland Sitzbänke aufpolstern könnte. Immer wieder fiel der Name Gerd Jungbluth, dem Sitzbank-Papst aus der Eifel, also rief ich Ihn an und fragte, ob er mir weiterhelfen könnte.
Während des Telefongesprächs wuchs meine Überzeugung, dass Gerd Jungbluth der richtige Mann für meine Sitzbank-Polsterung sein musste! Er wusste über die Tücken der abgepolsterten und der original Sitzbank bestens Bescheid. Diese mit dem Sofacharakter, jene mit Schmerzgarantie im Steiß nach spätestens 5 Kilometer Motorradtour. Am besten wäre die Sitzbank in der Originalhöhe mit leicht verbreiterter Sitzfläche usw. … Alles für’n Arsch eben.
„Dann komme ich gerne vorbei“, sagte ich und wäre am liebsten sofort losgefahren, wenn da nicht der prall gefüllte Terminkalender von Gerd Jungbluth ein klares „Ne, ne“ erzeugt hätte…
Also: Termin machen und warten, warten, warten….
Die Sitzbank kann Gerd Jungbluth zugeschickt werden oder man fährt mit dem Moped selbst hin (natürlich mit Termin) und macht sich 2 gemütliche Stunden in der Eifel – solange dauert die Aufpolster-Aktion in etwa.
Endlich war es soweit: Freitagnachmittag. Ich schwang mich auf meine AT (ein letztes Mal auf meiner grausamen Folterbank sitzend) und fuhr Richtung Eifel. Ich freute mich darauf, endlich den Sitzbank-Guru kennenzulernen, ihm bei der Arbeit über die Schulter schauen zu können und eine neue, perfekte Sitzbank zu bekommen.
Von Köln nur ein kurzer Ritt von 30 Minuten und schon stand ich vor der Werkstatt in Wollersheim, einem kleinen, ruhigen Eifel Ort in der Nähe von Nideggen und Zülpich.
Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, trat ein und stand keinem greisen Papst gegenüber, sondern einem Herrn im besten Alter mit einer Sitzbank in der Hand… Gerd Jungbluth. Die Überraschung war groß, hatte ich doch mit einem Polsterer um die 75 Jahre gerechnet.
Alter hin oder her: Gerd Jungbluth begann schon im zarten Alter von 19 Jahren an Sitzbänken zu basteln. Bis heute sind 26 Jahre vergangen und etliche tausend Sättel sind unter seinen Fittichen zu neuem Leben erwacht.
Allein ca. 6.000 Africa Twin Sitzbänke wurde aufgepolstert und so umgebaut, dass sich die Fahrer dieser Maschinen auch mal Strecken zutrauen konnten, die weiter als zum nächsten Kiosk verliefen und ohne vor Schmerz im Allerwertesten zu vergehen.
Bei dieser hohen Stückzahl kann man sagen, dass die Sitzbank der AT das Ranking der schlechtesten Moped-Sessel anführt.
Ich überreichte ihm die AT-Sitzbank 6001 und folgte ihm in die kleine Garagen-Werkstatt, die mit Sitzbänken, Werkstoffen aller Art und Bezügen vollgestellt war. Auf der großen Werkbank lag ein großer Hund namens Samson, der genau wie sein Herrchen ein hohes Maß an Ruhe und Souveränität ausstrahlte und mir irgendwie das Gefühl gab, dass hier so gar nichts schiefgehen konnte.
Der Meister ging sofort ans Werk und ich konnte sehen, dass ein gewisses Maß an Routine vorhanden war . In Windeseile (ca. 1 Stunde) wurde aus meiner abgehalfterten Sitzbank wieder ein taufrischer Rohling. Literweise Klebstoff und gefühlte Tonnen von verschiedenen, speziellen Schaumstoffen (Betriebsgeheimnis!) wurden geklebt, verbaut und beschnitten.
Dann wurde es spannend: Der Rohling wurde auf meiner AT fixiert und ich musste probesitzen. Donnerlüttchen! Schon die erste Sitzung war viel versprechend, die Höhe stimmte auf Anhieb…Begeisterung machte sich breit!
Als nächstes verschwand Gerd Jungbluth in einem Kämmerchen… „zum Feinschliff“, wie er sagte und um dann den Bezug auf die Sitzbank zu spannen. Auch hier konnte ich wieder unglaubliche Routine im Umgang mit Polster, Bezug und Pressluft-Tucker beobachten. Keine Falte weit und breit – genial.
Der Moment war gekommen: Das finale Probesitzen. Aufgesessen und… der Hammer: Ein völlig neues Sitzgefühl, neue Sitzposition mit perfektem Kniewinkel!
Das Losfahren: Unglaublich. Ich hatte das Gefühl, auf einem neuen Motorrad zu sitzen. Fahrgefühl und Handling waren nun so, wie ich es mir gewünscht hatte.
Fazit: Dieser Sitzbankexperte Gerd Jungbluth wir zurecht „Der Sitzbank-Papst“ genannt und ich kann ihn allen, von ihrer Sitzbank genervten Bikern, wärmstens empfehlen!
Sein Motto: Alles für´n Arsch – Endlich fleht der Hintern nicht mehr nach einem Zwischenstopp
Adresse:
In den Weingartsfeldern 12
52385 Nideggen-Wollersheim
Email: gerd@alles-fuern-arsch.de